Handwerkstradition und Zukunftssorgen

Anderswo fallen sie ganz aus, die Lehrlingsfreisprechungen. Doch in Bautzen wollte man es den jungen Leuten nicht antun, ganz ohne eine Feierlichkeit den Weg vom Lehrling zum Gesellen antreten zu müssen. Also organisierte die Handwerkskammer Bautzen eine würdige Feier im Haupthaus des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters. 87 Jung-Gesellinnen und -Gesellen aus den Gewerken Bäcker, Fleischer mit den entsprechenden Fachverkäufern, Friseure, Maler, Tischler, Bürokaufleute, Dachdecker, Zimmerer bekamen am Sonnabend ihre Zeugnisse und Gesellenbriefe überreicht.
Doch nicht nur das: Handwerk hat immer auch mit Tradition zu tun. Diese Traditionen werden hochgehalten. So wurden zu Beginn die Innungsfahnen hereingetragen, die Innungslade wurde geöffnet und eine Kerze angezündet. Ist die Lade geöffnet, darf nicht gelogen, kein Alkohol getrunken und – Zugeständnis an die Moderne – nicht mit dem Handy telefoniert werden. Zu den originellen Traditionen gehört auch das sogenannte Freischlagen der Gesellen, der Ritterschlag sozusagen. Zu dieser Prozedur erklärte sich der Dachdeckergeselle Florian Schneider bereit. Er musste seine „Sünden“, also Verfehlungen während seiner Lehrzeit, bereuen und erhielt dafür drei (sanfte) Hammerschläge auf den Rücken.
So weit zu den Traditionen. In Corona-Zeiten ist allerdings manches anders. So blickte Kreishandwerksmeister Frank Scholze auf einige Dinge aus den vergangenen Monaten zurück, die den Handwerksbetrieben, aber auch den Lehrlingen das Leben erschwerten. So hätten die Friseure einige Wochen gar nicht arbeiten können und ächzten später unter den Hygienebedingungen. Die Berufsschulen blieben sechs Wochen geschlossen. Überbetriebliche Lehrgänge fielen aus. Manches wurde digital ermöglicht, zum Beispiel durch Webinare. Baustellen lagen brach, Monteure konnten nicht ins Ausland fahren, Kurzarbeit war angesagt. Die Fleischer hatten Einbußen durch ausgefallene Festlichkeiten. Die sonst immer sehr beliebte Präsentation der Gesellenstücke der Tischler musste diesmal leider ausfallen. Alles in allem erwartet das Handwerk eine handfeste Wirtschaftskrise, denn die öffentlichen Kassen leeren sich, sodass Auftragsrückgänge zu erwarten sind.
Sorgen bereiten den hiesigen Handwerkern auch die Pläne der Landesregierung, die theoretische Ausbildung der Bäcker und Friseure aus der Bautzener Berufsschule abzuziehen. Die zuständigen Innungsobermeister Szilvia Schiffel und Lutz Neumann kämpfen einen zähen Kampf um den Erhalt der Bäcker- und Friseur-Ausbildung. Und Udo Witschas, Beigeordneter des Landrates, stärkte den Bautzenern diesbezüglich den Rücken. Er sagte: „Diese Pläne werden wir nicht mittragen!“ Es sei den Bautzenern schon zu viel genommen worden, jetzt müsse man ihnen etwas geben.
Nach all dem Unerfreulichen gab es auch Erfreuliches festzustellen. So ist die Zahl der Gesellen, die ihre Ausbildung mit der Note „Gut“ abgeschlossen haben, in den letzten Jahren gestiegen. Zwölf waren es diesmal. Diese besonders engagierten Lehrlinge, die zumeist auch schon feste Pläne für ihre weitere berufliche Fortentwicklung hegen, wurden extra geehrt und durften einen Humpen Bier zusammen mit den Vertretern der Handwerkskammer leeren. Die Übergabe der Zeugnisse und Gesellenbriefe erfolgte dann auf spezielle Art und Weise. Wegen der Abstandsregeln wurden sie mittels eines Brotschiebers bzw. einer goldenen Schaufel überreicht.