Matthias Moosdorf zu den Ereignisen in Leipzig

Meine Antwort an Christian Wolff, ehem. Pfarrer der Thomaskirche. Seine Ausführungen sind am Ende verlinkt.
Lieber Herr Wolff,
damit Sie in Ihrer Internet-Kartause mal ein wenig Öffentlichkeit bekommen, kommentiere ich Ihre Ausführungen auch öffentlich. Ob Sie sie dann nach gewohnter Art löschen – weil Sie glauben, missliebige Diskussionen vermeiden zu können – ist Ihre Angelegenheit.
Wenn Sie also gestern in der Stadt unterwegs waren, müssten Ihnen folgende Gegebenheiten zum Nachdenken aufgefallen sein:
1. Die Menge der Teilnehmer. Vergleicht man nämlich die Bilder und Zahlen mit 1989 und weiteren, später auf dem Ring und Augustusplatz stattgefundenen Veranstaltungen, komme ich auf wesentlich mehr als 20.000 Teilnehmer. Einfach so. Aus dem Stand. Das allein schon ist ein Alarmzeichen.
2. Es gab mindestens drei bis zum provozierten Abbruch der Querdenken-Demo völlig getrennt laufende Versammlungen. Die bei weitem größte auf dem Augustusplatz, erweitert bis zum Leuschner-Platz auf der einen und bis zum Grassi-Museum auf der anderen Seite. Zwischen Moritz-Bastei und der Musikalienhandlung Oelsner standen ca. 200 als Rechte erkennbare Lederjacken-Träger. Sie hatten mit Querdenken nichts zu tun, sondern lieferten sich mit der Antifa immer wieder lokale Scharmützel. Letztere hatte – politisch ganz passend – am Neuen Rathaus Stellung bezogen. Da ich in deren sog. Schwarzen Block mehrfach hineingeraten war, schätze ich deren Anzahl auf etwa 400 Mitstreiter. Wie üblich gekleidet, gewaltbereit, vermummt. Man kennt das Biotop aus Connewitz. Die Polizei hatte schon am Nachmittag mit einem Großaufgebot alle Hände voll zu tun.
3. Auf dem Augustusplatz herrschte eigentlich eine Art Volksfeststimmung. Buddhistische Gesänge wechselten sich ab mit Honecker-Parodien, Ansprachen zur Unverhältnismäßigkeit der Corona Politik usw. Es gab Bücher, T-Shirts, Getränke und Bratwurst, die Leute aus Nah und Fern sprachen miteinander. Viele Gewandhausmusiker, Uni-Angehörige, bekannte Bürger Leipztigs habe ich getroffen. Nazis waren da nicht.
4. Die Medien versuchten schon im Vorfeld, das Ganze als eine rechte Verschwörungs- und Leugner-Szene darzustellen. Ordner hatten allerdings alle Eintreffenden darauf hingewiesen, dass Fahnen nicht gezeigt werden dürfen. Die Mehrzahl der (zusammengerollten) Fahnen waren trotzdem Regenbogenfahnen. Ich habe den ganzen Nachmittag zwei Deutschland- und eine (!) Reichsflagge gezählt. Bei geschätzt 50-70.000 Teilnehmern eine vernachlässigbare Größenordnung. Die ARD hat dann alle Randale, besonders die, die sich im stadtbekannten OB-Jung-Biotop Connewitz zutrugen, dem Umfeld der Querdenker zugeschrieben. Wir beide wissen, dass dies schlicht falsch ist. Eine manipulative Lüge der Art, wie sie in Leipzig immer wieder erfunden wird.
5. Dieser gewaltigen Demonstration den friedlichen Weg über den Ring verwehren zu wollen, war eine dämliche Entscheidung. Sie wurde korrigiert und es hat sich gezeigt, dass die Teilnehmer zu 99% keine eskalierenden Absichten hatten.
6. Die Entscheidungen der Stadt im Vorfeld aber, bis hin zu den Kündigungen bestehender und bezahlter Hotelübernachtungen, gehören zu den Peinlichkeiten, die aus dem Westen kommende und hier gestrandete Möchtegern – Eliten nie begreifen werden. Wir Leipziger haben zu keiner Zeit die Stadtobrigkeit oder ehem. Stadtpfarrer um Erlaubnis gefragt. Wir haben kulturvoll und friedlich unserem Anliegen mit demokratischen Mitteln eine Stimme gegeben. Zu allen Zeiten! Dass Sie das OLG Bautzen glauben kritisieren zu müssen, dass OB Jung die genehmigten und damit völlig rechtmäßig unterwegs gewesenen Demonstranten „frech“ nannte, zeigt nur, dass Sie beide in der Kulturstadt Leipzig nicht viel zu suchen haben. Sie haben die Mentalität noch immer nicht verstanden oder/und spielen sich hier als Belehrende auf. Herr Wolff, wir brauchen Sie nicht! Nicht Sie und nicht Ihre geifernden Ratschläge, Hinter letzteren schimmert immer wieder die rosarote SPD-Schützenhilfe einer untergehenden Partei durch. Einer ehemals stolzen Sozialdemokratie übrigens, die letztlich Exponenten wie Wolff und Jung im Begriff sind, auf den Müllhaufen der Geschichte zu expedieren. Aber lassen wir das!
6. Ob der gesamte Tag zum Tag der „Superspreader“ mutieren wird, kann man sicher in ca. sieben Tagen erkennen. Ich tippe auf Nein, denn auch in Berlin hat sich die gleiche Hysterie um diese vorgeblichen Sorgen nicht bewahrheitet. Es gab keinen Anstieg der Infektionszahlen im Nachgang der Großdemonstrationen am 1. und 29. August. So wie es übrigens im Jahre 2020 bislang keine Übersterblichkeit zu Vergleichszeiträumen vergangener Jahre gibt. Das nur am Rande. Aber Sie interessiert ja nicht, dass Querdenken zum großen Teil nicht die COVID 19 – Pandemie infrage stellt – sondern den politischen Umgang damit.
Wenn Sie vor dem geschlossenen Gewandhaus stehen und wie ich jeden Tag mit übervollen ICE’s nach Berlin fahren müssen, ginge Ihnen als intelligentem Menschen eigentlich ein Seifensieder auf. Aber man muss schon verstehen wollen!
Es zeigt sich, wenn der Schaum vor dem Mund dem klaren Blick nicht mehr im Wege steht, dass Leipzig stolz sein kann, halb improvisiert und außer von den üblichen Verdächtigen gestört, so einen Tag auf die Beine gestellt zu haben. Eins ist sicher: Mit Leuten wie Ihnen oder Burkhard Jung hätte es keinen Wendeherbst gegeben. Es ist gut, dass uns diese Erkenntnis bleibt. Die Erwartung an Sie, für Ihre vielen haltlosen Unterstellungen Scham zu empfinden, greift sicher wieder zu kurz.
P.S. Übrigens hat der Berliner Verbots-Kollege vom August eine Stasi-Vergangenheit. Das ist also mittlerweile Ihre Kragenweite. Sie sollten nie wieder über den Herbst 89 sprechen!
Herzliche Grüße!
Matthias Moosdorf