Leseempfehlung

Leseempfehlung
„Liebe Freunde,
zumeist mute ich Euch leidlich lange Texte zu, doch der folgende legt diesbezüglich nochmal eine Schippe drauf. Allerdings ist das Thema zu komplex, um es bei hinreichender Differenzierung kürzer abzuhandeln. Deshalb danke ich für Euer Verständnis und freue mich über jeden, der ihn bis zu Ende liest. Es ist mir sehr wichtig und geht uns alle an.
Dass es bei den Schnelltests und Selbsttests, die ab sofort zur unverzichtbaren Alltagsnormalität und Lebensvoraussetzung werden sollen, weniger um den Nachweis einer Infektion mit realem Krankheitswert geht, sondern in Wahrheit eher um einen kollektiven IQ-Test: dies wenden warnende Mahner seit langem ein, die in der nun folgenden nächsten Brennstufe der kollektiven Corona-Psychose – nach Masken, Kontaktverfolgung und Inzidenzen-Voodoo – den nächsten verheerenden Impact für eine zerfallende, neurotisierte Gesellschaft sehen. Tatsächlich ist es die vorrangige Frage der Stunde: Wie können gebildete, intelligente und aufgeklärte Menschen sehenden Auges bei einem kultisch zelebrierten „Gesundheitswahn“ mitmachen, der kerngesunde Personen unter Virus-Generalverdacht stellt und unsere gesamten sozialen, psychologischen und ökonomischen Strukturen über den Haufen wirft? Jouwatch stellt einige grundlegende Fragen.
Es steht inzwischen außer Zweifel, dass der neue Ablassfreibrief namens „Negativtest“ auf unbestimmte Zeit unser gesamtes öffentliches Leben begleiten wird; mindestens solange, bis er dann durch den digitalen Impf- oder Immunitätsnachweis ersetzt wird. Die katastrophalen Folgen einer apartheitlichen Zweiklassengesellschaft – Gesunde hier, Kranke oder potentiell „Verdächtige“ da – für unser gesamtes soziales Miteinander werden inzwischen völlig unkritisch in Kauf genommen – weil es sich doch angeblich um die einzige Alternative zu einem ansonsten ewigen, womöglich künftig sogar destruktiveren Lockdown handele. Der tatsächliche Gegenentwurf zum Lockdown wird bei alledem schon gar nicht mehr thematisiert: Dass nämlich einfach alles zu öffnen wäre und dass ab sofort keinerlei Beschränkungen mehr gelten dürften – was dank der durch die Impfungen gewährleisteten geringeren Zahl an schweren Verlaufsfällen sowie einer längst wiederhergestellten Normalkapazität der Kliniken absolut vertretbar wäre.
Aber nein: Die Deutschen wollen nicht frei sein, sie wollen sich frei testen. Und so erklärt sich dann auch der aberwitzige Run auf die seit rund einer Woche frei verkäuflichen Selbsttests in Supermärkten, die von vielen quasi als eine Art Kaltstart und Vorab-Feldversuch für die später dann in mobilen oder stationären Teststationen, Apotheken, Praxen und weiteren „Points of Care“ unter Zeugen, fachmännisch durchgeführten Schnelltests gesehen werden (sofern sie nicht aus schierer Neugier weggeshoppt werden). Der Ansturm war so groß, dass Lidl, Aldi & Co., die zuvor in riesigen Discount-Werbeanzeigen für die Tests Reklame gemacht hatten, ihre Erstbestände im Nu ausverkauft hatten – und seither nur noch limitiert-kontingentiert, bei Lagerung hinter Sicherheitsglas wie Bölkstoff und Kippen, auf Verlangen ausgegeben werden.
Diese frei erhältlichen Selbsttests verschaffen wohlgemerkt niemandem irgendwo Einlass oder Zugang. Sie dienen ausschließlich der persönlichen „Beruhigung“, der Vergewisserung der eigenen Nichtgefährlichkeit bei sozialen Kontakten. Hier erleben wir die ultimative Kapitalisierung einer zuvor taktisch geschürten Massenpanik: Der schieren Angst und Unsicherheit, womöglich ja doch unbemerkt mit Sars-CoV2 infiziert zu sein, triggert das unstillbare alltägliche Verlangen, sich selbst „freizutesten“ – immer und überall. Hierfür werden galaktische Quanten an Nerven, Zeit – ein Selbsttest dauert rund 20 Minuten – und vor allem Geld geopfert. Die Antigen-Tests für den Hausgebrauch sind schon jetzt ein Milliardenmarkt für Hersteller und Handel – und sie dienen der Eingewöhnung an eine künftige Routine, die uns fortan bei jedem Restaurantbesuch, Einkauf, Tagesurlaub, in Schule und Universität, demnächst wohl auch Büros begleiten soll.
25 Euro für fünf Tests, also ein Kit für 5 Euro – das ist im Vergleich zu den Summen, die „Unfähigkeitsminister“ Jens Spahn bei der staatlichen (und gefloppten) Organisation der Schnelltests pro Einheit veranschlagt hatte (bis zu 20 Euro, inklusive Auswertung), zwar ein veritables „Schnäppchen“. Dennoch wird so den Bürgern ihr letztes verbliebenes Geld für eine im Prinzip entbehrliche Selbstrückversicherung aus den Taschen gezogen. Auch epidemiologisch ist da „Home-Testing“ sinnfrei, denn wer sich zuhause als positiv ermittelt, der wird dies womöglich nur in den seltensten Fällen beim Gesundheitsamt vorschriftsmäßig anzeigen – weil er keine Lust hat, symptomfrei in Quarantäne zu verharren, bis er irgendwann das Resultat seines PCR-Nachtests erfährt. Und wer negativ ist, kann mit dieser Momentaufnahme im Prinzip nichts anfangen – außer dass er für die nächsten paar Stunden höchstwahrscheinlich diejenigen nicht gefährdet, denen er auch jetzt nicht näher als Mindestabstand kommen darf.
Die Sensitivität dieser Tests wird zwar als recht hoch bewertet – doch lässt sich bereits durch säurehaltige Proben (sogar ein paar Tropfen Cola) ein falschpositives Testergebnis gewinnen. Umgekehrt erzeugen etwa ein paar Tropfen Leitungswasser oder sonstige beliebige anorganische Testflüssigkeiten immer ein negatives Ergebnis – und einen präsentablen, „unbedenklichen“ Teststreifen. Diese prinzipielle Manipulierbarkeit ist dann auch der Grund dafür, warum zur Erlangung von Privilegien und Zutrittsgenehmigungen keine privat ermittelten Selbsttests, sondern immer nur die an Teststationen durchgeführten, von Dritten offiziell bestätigen Schnelltestresultate gelten.
Doch eben auch im Zusammenhang mit den Schnelltests, von denen in den kommenden Wochen der Zugang zu den nach und nach wiedereröffnenden Geschäften, Einrichtungen oder Veranstaltungen abhängig gemacht werden soll, sind noch so dermaßen viele Fragen ungeklärt, dass niemand weiß, wie die praktische Umsetzung der neuen Testnormalität je gelingen soll. Zuerst einmal ist da das Problem der schieren Zahl: Geht man von 60 Millionen aktiven Deutschen aus, die auch nur drei bis vier Mal pro Woche beabsichtigen einzukaufen, einzukehren, ins Kino oder Theater zu gehen, sich Sauna, Schwimmbad oder Fitnesstudio zu gönnen (von all den anderen „testpflichtigen“ Aktivitäten ganz abgesehen), und die hierfür ja jedesmal einen tagesaktuellen (!) Test benötigen: Dann wäre dies ein Bedarf von pro Woche nicht etwa – wie von der Regierung kalkuliert – 45 Millionen, sondern über 200 Millionen Tests. Selbst bei massiver Aufstockung der Testkapazitäten – etwa durch Verdoppelung der vorgesehenen Testspots – sind somit stundenlange Wartezeiten und lange Schlangen vorprogrammiert.
Der Staat, dessen angebliche „Stärke“ in dieser Krise gegenüber den freien Märkten von freudenjauchzenden Kryptokommunisten und Etatisten stets postuliert wird, hat sich in dieser Pandemie als absolut unfähig und überfordert erwiesen: Ob bei der Maskenbeschaffung, bei der Impfstoffversorgung und jetzt auch noch bei den Tests. Während Jens Spahn und die von ihm gemeinsam mit Andreas Scheuer geleitete „Task Force“ vor sich hin stümpern, bewies der freie Handel eindrucksvoll seine Überlegenheit – und stellte nicht nur die prompte Versorgung mit Schnelltests in Rekordzeit sicher, sondern bot diese auch zu unschlagbar günstigen Preisen an. Düpierten linken Politikern wie Manuela Schwesig (SPD) war auch das dann wieder nicht recht: Sie warf den Handelsketten prompt vor, die Tests zu „verramschen“. Typisch Sozen: Solange es die Allgemeinheit zahlt, kann es gar nicht teuer genug sein.
Im Lichte der bisherigen organisatorischen „Meisterleistungen“ unserer wirtschafts- und lebensfremden Berufspolitiker ist es nahezu vollends utopisch, dass der Staat für seine Bürger an den offiziellen Testsstationen die Menge an den – dort dann „kostenlosen“ – Schnelltests überhaupt je bereitstellen kann, die nötig sind, um die von ebendiesem Staat zur Auflage gemachten Negativnachweise überhaupt zu erbringen. Muss am Ende also jeder seinen eigenen Selbsttest bei Aldi kaufen und mitbringen, um sich dann von offizieller Seite das Testergebnis bestätigen zu lassen (stets, wohlgemerkt, mit der „Option“ auf ein positives Resultat, womit er in die Mühlen der RKI-Gesundheitsamts-Coronamaschinerie gerät)?
Oder gelten jene, für die nicht genug Tests da waren, als automatisch positiv bzw. negativ?
Außerdem ist die Frage der Logistik überhaupt noch nicht beantwortet: In den knapp 84 deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern müssten mindestens 100 Testzentren gebaut werden, und pro Testzentrum müssten mindestens 10 Mitarbeiter quasi rund um die Uhr arbeiten. Hinzu kommen jedoch noch all die Unter- und Mittelzentren in Kleinstädten und Gemeinden – insgesamt weitere rund 11.000 Kommunen -, in denen dann mindestens jeweils mindestens vier bis fünf präsent sein müssten. Nicht zu vergessen eine riesige Zahl an mobilen Teststationen von THW, Rotem Kreuz oder lokaler Gesundheitsbehörde für den Einsatz auf Inseln, auf Ausflugsschiffen, in Biergärten, an Ausflugszielen, am Strand, im Gebirge – und vor allem in der Provinz, denn sollte etwa den Einwohnern eines Dorfes mit beispielsweise 10-15 Kilometern Entfernung zur nächsten größeren Stadt der Besuch der Dorfschänke verwehrt bleiben?
All dies ergibt einen Bedarf von 100.000 Teststationen und – je nach Berechnung – zwischen 500.000 und 1 Million Mitarbeitern. Woher sollen all diese rekrutiert werden, wer bezahlt sie, inklusive Nachtzuschläge und Wochenendzulagen? Zu veranschlagen wären hierfür mindestens 1,5 Milliarden Euro monatliche Lohnkosten. Freilich wird es dazu nicht kommen – weil die Bundesregierung diese Mammutaufgabe, die sich aus ihren eigenen unausgegorenen Vorstellungen gleichwohl zwingend ergibt, niemals bewältigen könnte. Ungleichbehandlung und Klagen gegen die Testpraxis werden die zwingende Folge sein, und bis diese entschieden sind, ein heilloses Chaos, Anarchie und Frustration mit erheblichem sozialem Konfliktpotential überall dort, wo Menschen fortan der Zutritt verwehrt wird.
Doch die Liste der offenen Fragen geht noch weiter: Nach wie vor ist gar nicht bekannt, wie der Identitätsnachweis an den einlassenden Stellen gewährleistet werden soll. Der rückständige Digitalisierungsgrad in Deutschland, wo selbst die Corona-Warn-App nur zu einer Krücke mit Stiefmütterchendasein bei der Infektionsnachverfolgung geriet, lässt Lösungen mit QR-Code und Online-Verifizierung wie Science Fiction erscheinen; zudem kommen sie für weite Teile der überalterten deutschen Bevölkerung nicht in Frage. Vor allem für all jene nicht, die gar kein Smartphone besitzen.
Es läuft daher auf einen bürokratischen Albtraum hinaus: schriftliche Testbescheinigungen respektive ärztlich oder von Teststationen amtlich bescheinigte Testzertifikate, so wie diese derzeit schon bei der Einreise aus anderen Ländern und Risikogebieten an den Grenzen verlangt werden; dann allerdings -zig millionenfach. Dumm nur, dass diese – ebenso wie simple vorzuzeigende Screenshots oder Ausdrucke davon – leicht manipulierbar sind und beliebig „getauscht“ werden können. Schon jetzt kursieren im Internet massenhaft Angebote für negative Testbestätigungen. Von Fälschungssicherheit kann hier keine Rede sein. Und selbst wenn die vorgezeigten Tests echt sind: Wie wird der Zeitstempel verifiziert, wer garantiert, dass es sich nicht um „Mehrfachverwendungen“ ein und desselben Tests handelt?
Sowenig wie Wirte, Verkäufer, Kartenabreißer im Kino oder Fitnesstrainer Zeit, Muße und Kompetenz haben, Schnelltests vor Ort bei ihren Kunden durchzuführen (weshalb die Idee des federzeitigen „Freitestens“ an Ort und Stelle schnell wieder verworfen war!), so wenig sind die Betriebe zur Aufbietung der personellen Ressourcen in der Lage, um den Schnelltest eines jeden einzelnen Kunden oder Gastes im Rahmen einer validen Identitätskontrolle abzugleichen. Auch hier droht das schiere Chaos – gerade in Verbindung mit Humbug namens „Click & Meet“ bei den Einzelhändlern, aber auch überall sonst, wo Termine gebucht und geplant werden.
Und dann stellt sich auch noch das zusätzliche Problem der Aktualität: Das Testergebnis muss ja vom selben Tag sein. Was passiert etwa, wenn ich einen Termin (Konzert, Einkauf, Gastrobesuch…) in drei Tagen – oder einen Urlaub in drei Wochen – buche, ich aber dann kurz vor dem Termin bzw. vor Reiseantritt plötzlich positiv getestet werde? Kann ich stornieren – und wenn nicht, bekomme ich dann etwaige Anzahlungen zurück? Wer trägt diese Schäden – der Kunde oder der Veranstalter? Bei Terminbuchungen im Handel, wo ja nur begrenzte Terminfenster verfügbar sind und jede kurzfristige Absage mit Umsatzeinbrüchen einhergeht, gibt es in solchen Fällen schließlich keine der Reiserücktrittversicherung analoge „Umsatzausfallversicherung“. Ein Modegeschäft, das 30 Termine am Tag hat, von denen die Hälfte kurzfristig abspringt, kann dann definitiv dicht machen.
Wegen all dieser Ungereimheiten, Widersinnigkeiten und völlig unausgereiften, undurchdachten Komplikationen ist jegliches Öffnungskonzept, das die Créme der politischen Spitzen-Inkompetenz in Merkels Bund-Länder-Runden da zusammengesponnen hat, im Prinzip schon jetzt zum Scheitern verdammt. Konsequenz: Entweder werden die Bestimmungen schlichtweg nicht eingehalten – oder es wird früher oder später alles wieder schließen. Vermutlich ist genau Letzteres das Ziel; nur so ließe sich dem erratischen Handeln der Regierung irgendeine Zweckrationalität beimessen und nur unter dieser Annahme ergäben all die monströsen Nonsensregulationen irgendeinen Sinn: Nämlich den, dass wirklich alles planmäßig in Scherben gehen soll.
Die einzige alternative Erklärung für das mehr als schlampige und unambitionierte Vorgehen der Bundesregierung rund ums Thema Schnelltests und Öffnungen wäre schlichtweg geballtes Unvermögen. Vielleicht ist tatsächlich das des Rätsels Lösung: Gemäß der philosophischen Weisheit „Hanlon’s Razor“ sollte man bekanntlich nichts mit Bösartigkeit begründen, was sich nicht ebensogut mit Dummheit erklären lässt.
Doch geben wir uns für einen Moment der Illusion hin, aus irgendwelchen Gründen würde doch alles wie am Schnürchen klappen. Jeder Deutsche bekäme an jedem Tag und wann immer er will sofort auf erstes Verlangen hin seinen kostenlosen Test-Persilschein, und auch die Verfügbarkeit der 200 Millionen Tests pro Woche wären kein Problen: Selbst wenn man dann vom optimistischen niedrigsten Wert einer nur 1-prozentigen Fehlerquote falsch-positiver Resultate ausgeht – tatsächlich dürfte er deutlich höher liegen! -, dann wären dies pro Woche zwei Millionen Fälle, die dann alle per PCR-Verfahren nachgetestet werden müssten (was 8,5 Millionen zusätzliche PCR-Tests pro Monat und damit eine annähernde Versechsfachung der gegenwärtigen Testmengen bedeutet).
Weil nun aber auch die PCR-Tests ihrerseits eine gewisse Fehlerquote aufweisen, und in Deutschland weiterhin und unverändert positive PCR-Ergebnisse auch bei abnorm hohen Ct-Werten (Testzyklen) von 35 oder mehr als „Neuinfektionen“ gewertet werden (obwohl selbst die Weltgesundheitsorganisation positive PCR-Tests von Ct-Werten über 30 als nicht aussagekräftig einstuft), ergäbe sich bei einer wiederum extrem niedrig angesetzten PCR-Fehlerquote von 1 Prozent eine massive Zunahme der Inzidenzwerte, die den Schnitt soweit nach oben jagt, dass die „Lockerungen“ sowieso gleich wieder zurückgenommen werden. Auch hier bliebe dann eigentlich nur das Resümee, dass es einer Regierung, die so etwas toleriert und fördert, genau darum geht. Zumindest bis zu den Wahlen im September.“
Daniel Matissek