Landesmedienanstalt als neue Zensurbehörde des Politkartells?

Wolfgang Effenberger
Rechtzeitig zum Aschermittwoch 2021 erhielten KenFM und weitere 12
Medienplattformen ein Schreiben von der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg,
in dem ihnen die Nicht-Einhaltung journalistischer Sorgfaltspflicht unterstellt wurde.
Dabei bezog sich die Landesmedienanstalt auf 4 Beiträge, schränkte jedoch ein, dass
es sich hier lediglich um Beispiele handele. Trotzdem wurde den Portalen mitgeteilt,
dass sie "generell" unter Verdacht stünden, unsauber zu arbeiten.
Art. 5 GG: Eine Zensur findet nicht statt
Die Verantwortlichen der Landesmedienanstalt haben dabei anscheinend den Art. 5
des Grundgesetzes aus den Augen verloren, in dem es gleich zu Beginn heißt:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film
werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“(1)
Da nur die Pressefreiheit allseitig meinungsbildende Informationen sicherstellt, misst
die Rechtsprechung diesem Grundrecht eine hohe Bedeutung zu. Wie bei allen
anderen Freiheitsrechten handelt es sich beim Art. 5 GG auch um ein Abwehrrecht
des Bürgers gegen staatliche Eingriffe in die geschützten Freiheitsbereiche.(2) So
sind die „Rundfunkanstalten zu Ausgewogenheit, Unparteilichkeit, Objektivität und
zur Einhaltung der journalistischen Sorgfalt verpflichtet.“(3)
Zwei Wächter der Pressefreiheit: Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
In einem Telepolis-Interview mit Marcus Klöckner Anfang April 2016 nahmen die
beiden ehemaligen NDR-Mitarbeiter(4) Friedhelm Klinkhammer und Volker
Bräutigam zu ihren damals schon an die 100 Programmbeschwerden bei den
Öffentlich-Rechtlichen Stellung:
Die Fernsehberichterstattung sei „regierungsfromm, tendenziös, defizitär,
agitatorisch, propagandistisch und desinformativ“, es würde Partei ergriffen und
Objektivität hintangestellt. Insgesamt attestieren Klinkhammer und Bräutigam den
Öffentlich-Rechtlichen – von einigen Lichtblicken einmal abgesehen – „eine schwere
Schlagseite im Hinblick auf den Informationsauftrag“.(5)
Auslöser für ihre Programmbeschwerden war für beide die Berichterstattung aus der
Ukraine 2014.
Nach dem Pogrom in Odessa hatte Klinkhammer der Redaktion die Fehler in der
Berichterstattung nachgewiesen und aufgezeigt, welche wesentlichen Punkte
ausgelassen wurden. Als Antwort seien nur Textbausteine mit lauen Dankesformeln
und dem Wunsch, „ich möge ARD-aktuell gewogen bleiben“, gekommen. Diese
Ignoranz habe sich sogar noch fortgesetzt, nachdem der ARD Programmbeirat die
Ukraine-Berichterstattung bereits massiv kritisiert hatte. Die verfälschende und
betont russophobe Tendenz ging weiter.(6)
Bei Volker Bräutigam brachte die Meldung, dass eine Gruppe von 13 NATO-
Offizieren, angeführt von einem Oberstleutnant der Bundeswehr, von angeblich
"prorussischen" Autonomisten festgenommen worden sei, das Fass zum Überlaufen.
Die NATO-Soldaten – von den Medien als "OSZE-Militärbeobachter" deklariert
(was die OSZE unmittelbar dementierte) – waren nicht in Uniform und regelwidrig

bewaffnet, und ihre Tätigkeit war somit ein Bruch zahlreicher Völkerrechts- und
Vertragsnormen. Dieser Skandal von westlicher Seite wurde als Unrechtshandlung
der Autonomisten dargestellt.(7)
Für Bräutigam und Klinkhammer ist die Tagesschau ein äußerst wirksames
Instrument der Indoktrination, auch hinsichtlich der Berichterstattung über China(8).
Zu diesem Komplex hatte schon 2010 die Heinrich-Böll-Stiftung die Studie "Die
China-Berichterstattung in den deutschen Medien"(9) herausgegeben. Darin wurden
insgesamt über 8.700 Beiträge in sieben deutschen Leitmedien, darunter Frankfurter
Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, taz, Spiegel, Focus, Zeit sowie die
Nachrichtenformate von ARD und ZDF für das Jahr 2008 untersucht. Das Ergebnis
war für den deutschen Mainstream beschämend: „unreflektierte Nutzung von
kollektiv abwertenden Schlagwörtern“, „unzulässige Pauschalierungen“ („die
Chinesen“), „fehlender Aufbau von Hintergrundwissen“ sowie „mangelndes China-
Wissen und fehlende Reflexion“(10).
In den letzten 12 Jahren hat der mediale Ton noch an Schärfe zugenommen. Als am
28. Dezember 2020 die 37jährige chinesische Juristin Zhang Zhan wegen ihrer Kritik
an behördlichen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie von einem chinesischen
Gericht zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde, malten die Medien unter
Ausklammerung von Details und Hintergründen das Bild vom chinesischen
Staatsterror an die Wand. Die Berichterstattung von ARD-aktuell über die
sogenannte „Bürgerjournalistin“(11) geriet zum klassischen Propagandafilm. Das
ARD-Studio Shanghai stellte Zhang als bedauernswertes Opfer chinesischer
Behördenwillkür und als Ikone der Meinungsfreiheit dar.(12) Laut Anklageschrift
wurde der Bloggerin vorgeworfen, „eine große Menge an falschen Informationen“
auf WeChat, Twitter und YouTube verschickt, „Interviews mit den Überseemedien
Radio Free Asia und Epoch Times angenommen und böswillig aufrührerisch über die
epidemische Situation in Wuhan“ berichtet zu haben.(13) Damit hat sie sich in China
eindeutig gesetzeswidrig verhalten.
“Böswilliges Aufwühlen” ist sinngemäß der gleiche Vorwurf, den Bundespräsident
Steinmeier(14) und Kanzlerin Merkel(15) den Kritikern der deutschen Anti-
Pandemie-Politik machen und der in den staatstragenden Massenmedien kolportiert
wird. Gerichtet ist er an Zeitgenossen, die sich gegen den kommunikationspolitisch
katastrophalen Umgang der Regierung mit der Pandemie wehren, gegen seine
Ineffizienz sowie seine sozialen und wirtschaftlichen Nebenwirkungen. Aber in der
Berichterstattung über chinesische und über deutsche Kritiker der Anti-Pandemie-
Maßnahmen gelten ersichtlich Doppelstandards.
Friedensdemonstrationen in Deutschland, die sich gegen die ständige Aufrüstung und
Kriegstreiberei der NATO wenden, werden meist einfach ignoriert, und
Demonstrationen gegen das Corona-Krisenmanagement werden bei ARD-aktuell
abfällig als „Jahrmarkt der kruden Ideen“ bezeichnet. Nach Klinkhammer arbeiten
die öffentlich-rechtlichen ebenso wie die kommerziellen Nachrichteninstitute
einseitig und manipulativ. Sie erweisen sich damit als diskursunfähig.(16)
Wie in den schlimmsten Zeiten der Berufsverbote werden Corona-Verharmloser und
Quertreiber mit Hilfe staatlicher Behörden (Verfassungsschutz) überwacht und
schikaniert, von den Medien zu Rechtsextremisten gestempelt und weitgehend aus
dem normierten gesellschaftlichen Diskurs gedrängt.
Dagegen werden die Oppositionellen der Länder, die als strategische Rivalen gelten
– Russland und China – und der Länder, in denen ein völkerrechtswidriger Regime-
Change vorbereitet wird, als Freiheitskämpfer, Menschenrechtsaktivisten oder

führende Oppositionspolitiker vorgestellt und je nach Gusto als Opfer oder Helden
verklärt.
Die Liste ist lang: Juan Guaidó aus Venezuela, Swetlana Tichanowskaja aus
Weißrussland, Julia Timoschenko aus der Ukraine, Alexei Nawalny aus Russland,
Joshua Wong aus Hongkong, und– nach dem Aktionskünstler Ai Wei-wei (u.v.a.)
aus China – nun eben auch Zhang Zhan.(17)
Wirkliche Helden wie Edward J. Snowden und Julian P. Assange, die für die
Aufklärung der Öffentlichkeit ihr Leben riskierten, haben keine Sympathie von den
deutschen Mainstream-medien zu erwarten. Sie brachten unter Einsatz ihres Lebens
und ihrer Freiheit verbrecherische Machenschaften der westlichen
Wertegemeinschaft ans Tageslicht. Snowden, ehemaliger CIA-Mitarbeiter, gab durch
seine Enthüllungen Einblicke in das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und
Spionagepraktiken von Geheimdiensten. Assange, Gründer und Sprecher der
Enthüllungsplattform WikiLeaks, machte geheim gehaltene Dokumente allgemein
zugänglich. Joe Biden verlangt seine Auslieferung an die USA, um ihm dort den
Prozess zu machen. Snowden hat in Russland Asyl erhalten. Beiden wurde das Recht
auf Asyl in der EU verwehrt, da ihnen die USA Straftaten vorwerfen. Doch wie viele
Asylanten wurden und werden bei uns aufgenommen, weil sie politisch verfolgt
werden und ihnen Freiheitsentzug oder mehr droht?
Meinungsvielfalt Voraussetzung für fruchtbaren Diskurs
Die Gleichschaltung der Medien setzte nach der Wiedervereinigung ein und fand im
Krieg gegen den Terror ihre Vollendung. Im Unterschied zu früher gibt es nur noch
wenige Nachrichtenagenturen, und die sind weltmarktbeherrschend und
transatlantisch eingebunden: Associated Press, AP, Agence France Presse, AFP,
Reuters; semiglobal agiert noch die Deutsche Presseagentur, dpa, sie kooperiert mit
der AP. Anstatt inhaltlicher Vielfalt dominiert Uniformität.(18)
Parallel dazu verzichten die Medien weitgehend auf eigenständige Recherchen. Die
Autoren müssen sich aus einem „Recherchepool“ bedienen, das heißt, auf die
Recherche Anderer zurückgreifen. Das ist Gleichschaltung! Damit haben sich die
Medien von ihrer Rolle als mediale Wächter und Vierte Gewalt zurückgezogen und
agieren nur noch als Lautsprecher der Regierung und ihrer Propaganda.
Das ist nicht friedenssichernd, sondern im höchsten Maße kriegstreibend. Bei derart
einseitiger Berichterstattung, besonders gegen China und Russland, kann der
Weltfrieden leicht unter die Räder geraten. Die Folgen sind nicht auszudenken.
Anstatt Feindbilder und Fronten zu schaffen, sollten die öffentlich-rechtlichen
Medien für Ausgleich und gegenseitiges Verständnis sorgen. Sollte es zum Krieg
kommen, trüge die Tagesschau aufgrund des gegenwärtigen USA-, NATO- und EU-
affinen Kurses von ARD-aktuell Mitschuld, so Klinkhammer (19).
Insofern ist ein Innehalten und Besinnen auf die genuine Aufgabe der Medien
dringender geboten denn je.
Im November 2016 beleuchtete die Bundeszentrale für politische Bildung die für die
Demokratie wichtige Funktion der Medien: Information, Meinungsbildung (freie und
offene Argumentation für Mehrheiten und Minderheiten) sowie Kontrolle und Kritik
(aufspüren und berichten über Missstände).(20)
Medien tragen sowohl zur Stabilität des politischen Systems als auch zum stetigen
Wandel der Gesellschaft aufgrund aktueller Entwicklungen bei, indem sie über alle
wichtigen Bereiche der Gesellschaft, d. h. insbesondere Politik, Wirtschaft sowie
Kultur und Soziales

so vollständig, sachlich und verständlich wie möglich informieren,
in freier und offener Diskussion zur Meinungsbildung beitragen und
mit Kritik und Kontrolle durch investigativen (nachforschenden und aufdeckenden)
Journalismus begleiten.
Diese Vorgaben der Bundeszentrale für politische Bildung müssen nur mit Leben
gefüllt werden. Zum Selbstverständnis der Medien gehört es, wahrhaft aufzuklären
und über eine Meinungsvielfalt in unserer Gesellschaft zu einem fruchtbaren Diskurs
zu kommen.
Dieser Diskurs findet schon lange nicht mehr statt, trotz unzähliger Talkshows und
Kabarettsendungen – überall sieht man die gleichen Leute, und überall wird ins
gleiche Horn geblasen.
Doch "wo alle dasselbe denken, wird nicht viel gedacht."(21)
Anmerkungen
1) Frank Fechner: Art. 5, Rn. 49. In: Klaus Stern, Florian Becker (Hrsg.):
Grundrechte – Kommentar Die Grundrechte des Grundgesetzes mit ihren
europäischen Bezügen. 3. Auflage. Carl Heymanns Verlag, Köln 2018
2) Herbert Bethge: Art. 5, Rn. 30a. In: Michael Sachs (Hrsg.): Grundgesetz:
Kommentar. 7. Auflage. C. H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66886-9
3) https://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunkrecht_(Deutschland)
4) Volker Bräutigam (ehemaliger Nachrichtenredakteur der Tagesschau und
langjähriger Personalrat und Redakteur des NDR) und Friedhelm Klinkhammer
(Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-
Gesamtpersonalrats)
5) Klöckner, Marcus: "Bleiben Sie ARD-aktuell gewogen" vom 3. April 2016
https://www.heise.de/tp/features/Bleiben-Sie-ARD-aktuell-gewogen-
3379301.html?seite=all
6) Klöckner, Marcus: "Bleiben Sie ARD-aktuell gewogen" vom 3. April 2016
https://www.heise.de/tp/features/Bleiben-Sie-ARD-aktuell-gewogen-
3379301.html?seite=all
7) Klöckner, Marcus: "Bleiben Sie ARD-aktuell gewogen" vom 3. April 2016
https://www.heise.de/tp/features/Bleiben-Sie-ARD-aktuell-gewogen-
3379301.html?seite=all
8) Volker Bräutigam: „Die Redaktion verletzt damit journalistische Grundregeln“

Volker Bräutigam: „Die Redaktion verletzt damit journalistische Grundregeln“


9) Bildung und Kultur, Band 5: Die China-Berichterstattung in den deutschen
Medien. Eine Studie von Carola Richter und Sebastian Gebauer.
10) Klinkhammer: „Das Interesse der arbeitenden Menschen steht nicht im
Mittelpunkt der Nachrichten“ unter https://www.nachdenkseiten.de/?p=62844
11) https://www.tagesschau.de/ausland/china-anklage-buergerrechtlerin-101.html
12) https://www.tagesschau.de/ausland/china-prozess-bloggerin-101.html
13) https://www.moonofalabama.org/2020/12/the-mighty-wurlitzer-us-financed-
human-rights-organizations-create-anti-chinese-headlines.html
14) https://www.fr.de/politik/leipzig-querdenker-corona-demo-grabkerze-bodo-
ramelow-agriff-polizei-journalisten-demonstration-zr-90093006.html
15) https://www.finanzen.at/nachrichten/aktien/merkel-denken-der-querdenker-ist-
angriff-auf-europaeische-lebensweise-1029892939
16) Volker Bräutigam: „Die Redaktion verletzt damit journalistische Grundregeln“
vom 10. Juli 2020 https://www.nachdenkseiten.de/?p=62837

17) Klinkhammer, Friedel/ Bräutigam, Volker: Die Zuschauer-Verachtung der
Tagesschau vom 11.1.2021 unter https://www.seniora.org/politik-
wirtschaft/deutschland/die-zuschauer-verachtung-der-tagesschau (aufgerufen
17.2.2021)
18) Klinkhammer: „Das Interesse der arbeitenden Menschen steht nicht im
Mittelpunkt der Nachrichten“ unter https://www.nachdenkseiten.de/?p=62844
19) Klinkhammer: „Das Interesse der arbeitenden Menschen steht nicht im
Mittelpunkt der Nachrichten“ unter https://www.nachdenkseiten.de/?p=62844
20) https://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-
sport/medienpolitik/189218/funktionen-der-medien-in-einer-demokratischen-
gesellschaft-i-und-ii
21) Karl Valentin (angeblich) … Jahrhundert Karl Valentin oder Georg Christoph
Lichtenberg unterschoben. Laut Google Books taucht es erstmals in dem 1915
erschienen Buch "The Stakes of Diplomacy" des amerikanischen Autors und
Journalisten Walter Lippmann auf