Ausführungen zu den Brandanschlägen auf das Unternehmen Hentschke Bau GmbH
Das Unternehmen „Hentschke Bau“ aus Bautzen ist in den zurückliegenden Monaten gehäuft Angriffsziel unterschiedlicher strafbarer Handlungen an verschiedenen Tatorten in Sachsen gewesen.
Seit Anfang 2019 gab es insgesamt 27 Angriffe auf Baufahrzeuge, Baumaschinen, Baustelleneinrichtungen und Objekte der Firma Hentschke Bau GmbH. Die Bandbreite reichte dabei von einfachen Sachbeschädigungen mittels Aufbringen von Farbe („Graffiti“) an Tunnelbaustellen der in Rede stehenden Firma bis hin zu Brandstiftungen an Baumaschinen. Dabei entstand ein Gesamtsachschaden von ca. 463.000 €. Von den insgesamt 27 Verfahren werden neun Verfahren beim Landeskriminalamt (LKA) bearbeitet, weil eine politische Motivation nicht ausgeschlossen werden kann. Die Tatorte befinden sich in Leipzig, Bautzen und Dresden. Bei fünf Delikten handelt es sich um Gewaltdelikte in Form von Brandstiftungen.
Besonders hervorzuheben ist der folgenschwere Brandanschlag auf mehrere Baumaschinen auf dem Hauptfirmensitz in Bautzen am 5. November 2019. Durch den Brand wurden eine Zugmaschine, ein Tieflader, ein Mobilkran und ein Walzenzug zerstört. Der Sachschaden wird auf ca. 350.000 Euro geschätzt.
Allen Taten gemeinsam ist die klandestine Vorgehensweise der Täter, die nächtliche Tatzeit sowie die Intention, einen großen Sachschaden verursachen zu wollen. Diese modi operandi entsprechen den aktuell feststellbaren strafbaren Handlungen aus dem Bereich PMK-Links, zu welchen sich die vermeintlichen Täter auch regelmäßig in Selbstbekennerschreiben äußern.
Das Unternehmen Hentschke Bau wird in der gewaltorientierten linksextremistischen Szene aus zwei Gründen heraus als legitimes Angriffsziel verstanden. Zum einen wirkte das Unternehmen am Bau der Justizvollzugsanstalt Zwickau mit (szenesprachlich: „Knastprofiteure“), zum anderen soll der Geschäftsführer Geldmittel an die „Alternative für Deutschland“ gespendet haben. Angriffe auf die Firma können mithin unter den Beweggründen „Anarchismus/befreite Gesellschaft“ und „Antifaschismus“ subsumiert werden, wobei letzterer im besonderen Maße anschlussfähig und vermittelbar in der Szene ist.
Herausragende Sachverhalte der politisch motivierten Gewaltkriminalität oder z.B. durch Aufgabenzuweisung für die Soko-LinX, werden im LKA bearbeitet. Das LKA übernimmt jeweils so früh wie möglich die Ermittlungen, um bereits beim „ersten Angriff“ ein Optimum an objektiven und subjektiven Befunden zu sichern. Die intensiven Ermittlungsmaßnahmen haben zuletzt dazu geführt, dass Beschuldigte bekannt gemacht werden konnten. Es wird weiterhin mit großer Intensität an den o. g. Straftaten gearbeitet.
Zudem halten die Polizeidirektionen Dresden und Leipzig jeweils „Single Points of Contact“ in den jeweiligen Einsatzreferaten vor. Diese Kolleginnen und Kollegen koordinieren die Gefahrenvorsorge und -abwehr für gefährdete Objekte und Institutionen in ihrem Bereich. Im Sinne eines konzertierten Problemlösungsansatzes wirken dabei andere polizeiliche Dienststellen (z. B. Zentralstelle für Prävention im LKA, Soko LinX) und externe Akteure (z. B. Ordnungsbehörden) zusammen, um als Netzwerk Prävention betreiben zu können.
Im Rahmen der Ermittlungen wird regelmäßig auch ermittlungsbegleitendes Internetmonitoring auf einschlägigen Internetseiten durchgeführt. Selbstbekennerschreiben, die Bezüge zu konkreten Taten erkennen lassen, geben Hinweise auf eine etwaige Tatmotivation und ermöglichen damit die Einordnung in einen bestimmten Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität. Aus dem Duktus der Formulierungen und Bezüge zu anderen Straftaten ergeben sich unter Umständen weitere Ansatzpunkte für die Ermittler.
Aus der Erfahrung heraus kann nicht eindeutig ausgeschlossen werden, dass in diesen sogenannten Selbstbekennerschreiben Behauptungen und falsche Tatsachen enthalten sind, da es sich um offene Quellen handelt. Daher kann eine endgültige Zuordnung zu den Phänomenbereichen erst nach Abschluss des Gerichtsverfahrens getroffen werden.
Maßnahmen zur Bekämpfung von Extremismus. Islamismus, Linksextremismus und Rechtsextremismus
Die nachfolgenden Angaben basieren auf den beim Landeskriminalamt Sachsen im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) mit Stand vom 3. Dezember 2020 erfassten Meldungen der Polizeidienststellen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stellt sich die Entwicklung der Fallzahlen wie folgt dar:
Die Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität sind im Zeitraum Januar bis November 2020 deutlich unter dem Vorjahresniveau (2020: 3.158; 2019: 4.188). Dieser Rückgang betrifft die PMK -links- (2020: 879, 2019: 1.343), PMK -rechts- (2020: 1.749, 2019: 2.151) und die PMK -nicht zuzuordnen- (2020: 472, 2019: 627) gleichermaßen. Ursächlich hierfür sind insbesondere der Wegfall der Straftaten i. Z. m. Wahlen (2019: 1.315 Fälle im Vorjahreszeitraum)
Auch fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten sind zurückgegangen.
Die Gewaltkriminalität ist dementgegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum angestiegen (2020: 278; 2019: 196) und ist mehrheitlich (62,9 Prozent) dem Phänomenbereich -links- zugeordnet.
So sind die Gewaltdelikte im Phänomenbereich PMK -links- von 110 auf 175 Fälle (+59,1 Prozent) gestiegen, von denen allein 126 Fälle auf die Polizeidirektion (PD) Leipzig entfallen.
Im Phänomenbereich PMK -rechts- ist ein leichter Rückgang von 67 auf 65 Fälle (-3,0 Prozent) zu verzeichnen. Die meisten davon (24 Fälle) entfallen auf die Polizeidirektion Dresden.
In den Phänomenbereichen -ausländische Ideologie- (2020: 32; 2019: 49) und dem Phänomenbereich -religiöse Ideologie- (2020: 26; 2019: 18) bewegen sich Fälle weiter auf niedrigem Niveau. Losgelöst von dem niedrigen Fallaufkommen im Phänomenbereich -religiöse Ideologie- haben die Anschläge von Dresden, Paris, Nizza und Wien deutlich gemacht, dass der islamistische Terrorismus keine abstrakte Gefahr, sondern real und präsent ist. Jihadistische Organisationen verfolgen weiterhin das Ziel, in der westlichen Welt Anschläge zu verüben. Hierzu bedienen sie sich unterschiedlicher Ressourcen (Einzelpersonen oder Gruppierungen) und Mittel. Dementsprechend ist die Gefahr islamistisch motivierter Anschläge in Westeuropa und somit auch in Deutschland unverändert hoch und kann sich, wie in den o. g. Fällen, jederzeit in Straftaten konkretisieren.
Maßnahmen zur Bekämpfung der PMK:
Die Sächsische Staatsregierung tritt jeder Form von Extremismus, Gewalt und Terror entschieden entgegen und hat bereits in den letzten Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um für die Bekämpfung Politisch motivierter Kriminalität gut aufgestellt zu sein. Dazu wurden u. a. folgende Maßnahmen getroffen:
- Der Polizeilichen Staatsschutzes wurde im Oktober 2017 mit der Einrichtung des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrums (PTAZ) beim LKA neu ausgerichtet. Über regionale Ermittlungsabschnitte ist das PTAZ mit den örtlichen Staatsschutzdezernaten bei den Polizeidirektionen landesweit vernetzt und bildet mit diesen einen schlagkräftigen Verbund aus rd. 400 Ermittlern zur Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität (PMK).
- Im Zusammenhang mit der Einrichtung des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrums (PTAZ) (2017) wurde eine Koordinierte Internetaufklärung (KIA) geschaffen. Die in diesem Bereich tätigen Spezialisten können anlassbezogen zu einer schlagkräftigen virtuellen Einheit (sog. KIA-Netz: Verbund PTAZ mit den KIA-Experten bei den örtlichen Staatsschutzdezernaten) vernetzt werden. Im KIA-Netz sind inzwischen 14 Bedienstete (4x PTAZ, je 2 bei den fünf Polizeidirektionen) tätig.
- Die Mobilen Einsatz- und Fahndungsgruppen (MEFG) wurden neu aufgestellt.
- Aufgrund der Entwicklung im Bereich der PMK, insbesondere nach den Ereignissen in Chemnitz im Sommer 2018, wurde im PTAZ die „Task Force Gewaltdelikte“ (TFG) gebildet, um die Polizeidirektionen bei ersten Maßnahmen zur Bekämpfung herausragender PMK-Delikte zu unterstützen.
- Im Juli 2019 wurde die Soko Rex unter dem Dach des PTAZ wieder eingerichtet.
- Im Dezember 2019 wurde die Soko LinX mit Sitz in Leipzig eingerichtet und insbesondere mit Blick auf die Fallzahlen der Gewaltkriminalität im Phänomenbereich -links- im Herbst 2020 nochmals personell gestärkt.
- Im Januar 2021 soll die Zentrale Meldestelle für Hasskriminalität im Internet (ZMI Sachsen) den Wirkbetrieb aufnehmen.
Dies zeigt, dass die sächsische Polizei die Entwicklung im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität genau beobachtet, um frühzeitig mit entsprechenden Maßnahmen darauf zu reagieren. Ziel ist es auch in Zukunft die Zusammenhänge und Strukturen im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität rechtzeitig zu erkennen, die daraus resultierenden Gefahren schneller und effektiver abzuwehren, Straftaten aufzuklären und die Täter der Justiz zu überstellen. Dadurch soll der Druck auf politisch motivierte Straftäter hochgehalten bzw. weiter erhöht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Mario Stenzel
Referent