Ein emotionaler Appell im Stadtrat – David Vandeven fordert tiefgreifende Reformen
Ein investigativ kritischer Beitrag von Andreas Manousos
Bautzen, 29. Januar 2025 – Es war eine Rede, die vielen Zuhörerinnen und Zuhörern unter die Haut ging: Der Bürger David Vandeven, gleichzeitig Betreiber von Ostsachsen TV, hat im Bautzener Stadtrat eindringlich eine Neuausrichtung der Hundesteuer, eine humanere Friedhofsordnung sowie eine würdevolle Behandlung von Haustieren im Todesfall gefordert – und stieß damit ein Thema an, das in der Bevölkerung offenbar längst brodelt.
Ein altes Gesetz mit verdrängtem Ursprung
Die Hundesteuer wurde 1807 in Preußen eingeführt – mit einem klaren Zweck: zur Finanzierung der napoleonischen Kriege. Sie war also von Anfang an zweckgebunden, nämlich zur Deckung eines akuten staatlichen Finanzbedarfs. Und genau diese Steuer wurde nie formell aufgehoben oder neu begründet – sondern einfach übernommen, verwaltungstechnisch fortgeführt und über Jahrzehnte hinweg von ihrem ursprünglichen Zweck abgekoppelt.
Was heute als ordnungsrechtliche Aufwandsteuer bezeichnet wird, war ursprünglich ein steuerpolitisches Notfallinstrument. Die Zweckbindung wurde nie durch Gesetz abgeschafft, sondern nur durch Gewohnheitsrecht verdrängt. Dass sich Verwaltungen heute auf eine angeblich zweckfreie Rechtsnatur der Hundesteuer berufen, ist damit historisch unzutreffend und juristisch mindestens fragwürdig.
Auch verfassungsrechtlich ist diese Entwicklung problematisch: Denn sie entzieht sich jeder politischen Legitimation durch eine bewusste gesetzgeberische Neubegründung. Es wurde nie demokratisch darüber entschieden, ob eine ursprünglich zweckgebundene Kriegsabgabe in ein dauerhaftes Verwaltungsinstrument überführt werden soll – genau das ist aber in der Realität passiert.
Wenn eine Steuer über zwei Jahrhunderte bestehen bleibt, ohne dass ihr Zweck noch existiert, und wenn ihre rechtliche Natur sich durch bloßes Verwaltungsverhalten verändert, stellt sich die grundsätzliche Frage: Wie dauerhaft darf ein Staat zweckfrei in die Lebensverhältnisse seiner Bürger eingreifen – ohne politische Rückkopplung?
Die Hundesteuer ist damit nicht nur ein finanzielles, sondern ein demokratisches Relikt. Und genau deshalb ist ihre Fortführung heute nicht mehr nur unmodern – sie ist erklärungsbedürftig. Und wenn diese Erklärung ausbleibt, wird sie zur Belastung ohne Rechtfertigung.
72 Euro für den ersten Hund – aber wofür eigentlich?
Konkret erhebt die Stadt Bautzen 72 Euro für den ersten Hund, 96 Euro für den zweiten und 120 Euro für jeden weiteren. Für sogenannte „gefährliche Hunde“ werden sogar bis zu 1.000 Euro verlangt. Im benachbarten Obergurig hingegen zahlt man für den ersten Hund lediglich 35 Euro. Was genau rechtfertigt diese Differenz, fragte David Vandeven im Stadtrat. Welchen konkreten Mehrwert bietet Bautzen, den andere Kommunen nicht bieten?
Die Stadtverwaltung verweist in ihrer Antwort auf andere Städte wie Dresden, Zwickau, Görlitz oder Löbau, deren Hundesteuersätze zum Teil noch höher liegen. Doch dieser Vergleich greift zu kurz. Erstens handelt es sich bei vielen dieser Orte um Groß- oder Mittelstädte mit anderer Sozial- und Infrastruktur. Zweitens ersetzt der Verweis auf höhere Steuern andernorts keine eigene sachliche Begründung. Drittens bleibt die eigentliche Frage unbeantwortet: Welche Gegenleistung erhalten die Bürgerinnen und Bürger in Bautzen für diese Steuer?
Hinzu kommt: Die Hundesteuer trifft einkommensschwache Haushalte überproportional. Während sich gut situierte Bürger die jährliche Abgabe leisten können, ist sie für Alleinerziehende, Senioren oder Erwerbslose häufig ein Hemmnis – oder gar ein Grund, einen Hund nicht mehr halten zu können. Gerade in diesen Haushalten übernehmen Hunde jedoch oft wichtige soziale und emotionale Funktionen: als Familienersatz, als Begleiter in Einsamkeit oder als Auslöser für tägliche Bewegung.
David Vandeven hatte in seiner Rede darauf hingewiesen, dass die Hundesteuer in vielen Fällen nicht nur eine Belastung, sondern auch eine soziale Schranke darstellt. Die Frage, „wofür eigentlich?“ zielt also nicht allein auf fiskalische Fairness – sondern auf gesellschaftliche Verantwortung. Wer für sich beansprucht, eine soziale Stadt zu sein, muss sich auch daran messen lassen, wie sie mit den Tieren ihrer sozial schwächeren Bürger umgeht. Und mit jenen, die Verantwortung für sie übernehmen.
Ein Muster ohne Inhalt – die Antwort der Verwaltung
Was auf David Vandevens detaillierte Ausführungen folgte, waren zwei offizielle Schreiben der Stadtverwaltung Bautzen – beide unterzeichnet von Bürgermeister Dr. Robert Böhmer. Der Tenor: Kein Änderungsbedarf. Kein Reformwille. Kein inhaltlicher Dialog.
Statt auf die konkreten Argumente – soziale Ungleichheit, europäischer Vergleich, emotionale Bindung, historische Zweckbindung – einzugehen, verwies die Verwaltung auf formale Grundlagen: Die Hundesteuer sei eine sogenannte Aufwandsteuer mit Steuerungsfunktion und diene nicht der Gegenfinanzierung konkreter Leistungen, sondern der allgemeinen Haushaltsdeckung. Damit entziehe sie sich automatisch jeder Zweckbindung.
Diese Antwort mag formal juristisch zulässig sein – sie ist jedoch inhaltlich ausweichend und politisch ausdruckslos. Denn dass eine Steuer nicht zweckgebunden sein muss, heißt nicht, dass sie nicht zweckbezogen verwendet oder politisch neu legitimiert werden könnte. Der Unterschied zwischen „nicht vorgeschrieben“ und „nicht gewollt“ ist keine juristische Spitzfindigkeit – er ist Ausdruck politischer Haltung.
Hinzu kam eine auffällige Verschiebung der Debattenebene: Statt auf das Anliegen des Bürgers einzugehen, warf Bürgermeister Böhmer dem Fragesteller vor, durch seine öffentliche Kommunikation eine „Wahrnehmungsverzerrung“ in den sozialen Medien zu betreiben. Es war ein rhetorischer Schlag ins Gesicht – und eine bezeichnende Reaktion für eine Verwaltung, die offenbar nicht mit Kritik umgehen möchte, wenn sie aus der Mitte der Bevölkerung kommt.
Die Haltung: Wir verweisen auf Paragraphen. Wir äußern uns nicht zur Sache. Und wenn jemand unsere Sachbezüge hinterfragt, dann problematisieren wir seine Ausdrucksweise.
Was in Bautzen damit sichtbar wurde, ist kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Muster: Bürger, die nicht nur Fragen stellen, sondern auch öffentlich nachhaken, werden nicht als demokratische Partner, sondern als potenzielle Störer wahrgenommen. Wer jedoch ernsthaft demokratische Beteiligung wünscht, muss auch mit deutlichen Worten umgehen können – und mit unbequemen Wahrheiten. Die pauschale Abwehr berechtigter Kritik durch den Verweis auf Formalien ist deshalb nicht Ausdruck von Rechtsstaatlichkeit, sondern von politischer Sprachlosigkeit.
Diskriminierung durch kommunale Willkür?
Die Hundesteuer in Deutschland ist ein kommunales Relikt – und sie wird auch so gehandhabt. Von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, variieren die Beträge zum Teil um mehrere hundert Prozent. Während in Obergurig 35 Euro fällig werden, verlangt Bautzen 72 Euro, Görlitz 102 Euro, Dresden 108. Für Bürgerinnen und Bürger bedeutet das: Die gleiche Handlung – nämlich das Halten eines Hundes – wird je nach Wohnort völlig unterschiedlich besteuert.
Doch nicht nur die Höhe der Steuer unterscheidet sich. Auch die Ausnahmeregelungen, Befreiungen und sogar die Anerkennung des emotionalen Wertes eines Haustieres differieren massiv. In einigen Kommunen dürfen Tierurnen unter bestimmten Voraussetzungen im Familiengrab beigesetzt werden – in anderen, wie in Bautzen, wird das grundsätzlich ausgeschlossen. Selbst auf die Nachfrage im Stadtrat wurde seitens der Verwaltung nicht mit Offenheit oder Gesprächsbereitschaft reagiert, sondern mit dem pauschalen Verweis auf eine angeblich nicht vorhandene Nachfrage.
Damit entsteht ein Bild, das über eine bloße Verwaltungsfrage hinausweist. Denn wenn Menschen, die ihren Hund als Teil der Familie begreifen, erleben müssen, dass ihre Lebensrealität weder rechtlich noch emotional anerkannt wird, dann erzeugt das nicht nur Frustration – sondern ein wachsendes Gefühl der Ungleichbehandlung.
Der Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes lautet: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Diese Gleichheit wird durch die föderale Struktur nicht aufgehoben – sie wird durch sie herausgefordert. Denn dort, wo kommunale Freiheit zur willkürlichen Ungleichbehandlung wird, beginnt die Legitimation zu bröckeln.
Wenn die Haltung eines Hundes in der einen Gemeinde steuerlich kaum belastet, in der anderen jedoch zur sozialen Hürde wird, wenn emotionale Bindungen hier juristisch respektiert und dort ignoriert werden, dann entsteht ein Flickenteppich der Beliebigkeit. Und dieser Flickenteppich ist nicht Ausdruck von Vielfalt, sondern von Desinteresse an Gerechtigkeit. Was für den einen ein symbolischer Abschied im Grab ist, wird dem anderen als Regelverstoß ausgelegt – das ist nicht nur ungleich, das ist entwürdigend. Und es ist nicht mehr zeitgemäß.
Friedhofsordnung – ein kaltes Nein
Neben der Hundesteuer war ein weiterer zentraler Punkt von David Vandevens Rede die Frage nach einer humaneren Friedhofsordnung – insbesondere nach der Möglichkeit, die Urne eines verstorbenen Haustiers im Familiengrab beizusetzen. Diese Form der Bestattung, die in anderen Städten und Ländern längst möglich ist, wurde von der Stadt Bautzen mit einem kategorischen Nein beantwortet.
In einem Schreiben vom 3. März 2025 erklärt die Verwaltung, dass es „keine einzige Anfrage“ zu dieser Frage gegeben habe und deshalb kein öffentliches Bedürfnis bestehe. Zudem verweist man auf eine frühere Ablehnung ähnlicher Vorschläge in Görlitz, auf hygienische Bedenken und auf das Argument, dass die Friedhofsordnung sich an einer Empfehlung des Deutschen Städtetages orientiere. Man solle außerdem zunächst die nächste Novelle des Sächsischen Bestattungsgesetzes abwarten, bevor man sich auf kommunaler Ebene mit einer Änderung befasse.
Doch genau hier beginnt die eigentliche Absurdität: Der Bürger hat sich im Stadtrat geäußert – öffentlich, offiziell, konkret. Damit liegt eine Anfrage und ein formuliertes Interesse sehr wohl vor. Die Behauptung, es gebe kein Bedürfnis, weil keine Anfragen vorlägen, entlarvt sich selbst. Es ist ein Zirkelschluss der Verwaltung, die Initiative verweigert, weil angeblich niemand initiativ geworden sei – während sie genau in dem Moment eine klare Forderung ignoriert.
Dass darüber hinaus auf angebliche „Vollzugsprobleme“ mit der evangelischen Kirchgemeinde verwiesen wird, wenn der Michaelisfriedhof für Hunde geöffnet würde, ist ein weiteres Ablenkungsmanöver: Verwaltung bedeutet nicht, auf Probleme zu warten – sondern sie zu lösen. Und wenn ein Friedhofsabschnitt städtisch ist, kann dort auch städtisches Recht gelten – das nennt man Satzungshoheit.
Wer das Anliegen, ein verstorbenes Haustier als Familienmitglied zu behandeln, mit Hygienevorschriften und Bellgeräuschen beantwortet, entzieht sich nicht nur dem Zeitgeist – er macht sich moralisch klein. Die Friedhofsordnung ist kein Naturgesetz. Sie ist veränderbar. Und sie sollte, im Sinne eines mitfühlenden Gemeinwesens, angepasst werden, wenn Menschen diesen Wunsch äußern. Dass dies in Bautzen verweigert wird, ist ein Statement – und keines, auf das man stolz sein kann.
Was fehlt: Die Stimme der Bürger – nicht gezählt, weil nicht gefragt
Eines der auffälligsten Argumente in den Verwaltungsantworten lautet sinngemäß: „Es gibt keine Nachfrage, also besteht kein Handlungsbedarf.“ Diese Logik offenbart ein tiefes Missverständnis dessen, was demokratisches Gemeinwesen ausmacht.
Bürgerinnen und Bürger sind keine Verwaltungsakteure. Sie sind keine Fachjuristen, keine Satzungstechniker. Sie äußern Anliegen, Bedürfnisse, Wünsche – öffentlich, emotional, politisch. Wenn ein Bürger – wie David Vandeven – im Stadtrat den Wunsch äußert, die Friedhofssatzung zu überdenken, dann ist das genau die Form von Nachfrage, die eine Reaktion verdient. Wer sagt, das sei „keine formale Anfrage“, hat die gesellschaftliche Dimension von Partizipation nicht verstanden. 12,6 Millionen Menschen – in Deutschland. Über 10,5 Millionen Hunde sind Teil dieser Haushalte. Es gibt eine riesige Gemeinschaft von Menschen, für die ihr Haustier mehr ist als ein Begleiter: Es ist Familie. Diese Menschen zählen. Ihr Wunsch, ihre Gefühle, ihre Trauer, ihre Liebe – sie sind real. Und sie sollten politisch gehört werden.
12,6 Millionen Menschen – in Deutschland. Über 10,5 Millionen Hunde sind Teil dieser Haushalte. Es gibt eine riesige Gemeinschaft von Menschen, für die ihr Haustier mehr ist als ein Begleiter: Es ist Familie. Diese Menschen zählen. Ihr Wunsch, ihre Gefühle, ihre Trauer, ihre Liebe – sie sind real. Und sie sollten politisch gehört werden.
Dass die Stadtverwaltung argumentiert, es fehle „am öffentlichen Bedürfnis“, ist ein Offenbarungseid. Denn wenn man Bürgeranliegen erst dann als legitim anerkennt, wenn sie mit Masseneingaben und Verwaltungsakten hinterlegt sind, hat man die Schwelle bürgerlicher Beteiligung gefährlich verschoben. Man delegitimiert stille Bedürfnisse. Und man verschließt sich gezielt dem Wandel gesellschaftlicher Wirklichkeiten.
Eine moderne Verwaltung fragt nicht: „Wo sind die Anträge?“ – sie fragt: „Was bewegt die Menschen?“
Und sie fragt nicht: „Wie verhindern wir einen Präzedenzfall?“ – sondern: „Wie können wir eine gute Lösung ermöglichen?“
Die Stimme der Bürger war da. Sie war klar. Sie war friedlich, sachlich, menschlich. Und sie wurde überhört. Genau das ist das Problem.
Kommunales Gestaltungsrecht: Der Stadtrat kann es ändern
Die zentrale Verteidigungslinie der Stadtverwaltung lautet sinngemäß: Man könne nichts tun, bevor die Landesgesetzgebung handle – etwa durch eine Novelle des Sächsischen Bestattungsgesetzes. Doch genau das ist irreführend. Denn im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung steht es jeder Stadt frei, eigene Satzungen zu erlassen oder bestehende zu ändern – solange diese nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Und das ist im Fall der Hundesteuer wie auch bei Friedhofsregelungen keineswegs gegeben.
Die Hundesteuersatzung kann durch den Stadtrat jederzeit angepasst oder aufgehoben werden. Gleiches gilt für die Friedhofssatzung, sofern keine Landesgesetze verletzt werden. Doch eine Mitbeisetzung von Tierurnen im Familiengrab ist aktuell nirgends in Sachsen gesetzlich verboten – sie ist schlicht nicht ausdrücklich geregelt. Dieser rechtliche Graubereich eröffnet kommunalen Entscheidungsträgern Spielraum – wenn sie ihn nutzen wollen.
Daher ist es politisch nicht ehrlich, wenn die Verwaltung so tut, als sei Bautzen in diesen Fragen zur Untätigkeit gezwungen. Die Wahrheit ist: Es fehlt nicht an rechtlicher Möglichkeit – es fehlt am politischen Willen.
Und genau hier kommt der Stadtrat ins Spiel. Er muss nicht auf Dresden warten. Er muss nicht in der Defensive verharren. Er kann gestalten. Er kann Vorreiter sein. Er kann beschließen, dass soziale Gerechtigkeit und Tierwürde in Bautzen kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern Bestandteil konkreter Kommunalpolitik werden.
Die politische Verantwortung für den Stillstand liegt daher nicht nur bei der Verwaltung, sondern auch beim Stadtrat – und damit bei jeder einzelnen Stadträtin, jedem einzelnen Stadtrat. Wer nichts ändert, obwohl er es könnte, verteidigt den Status quo. Und der ist nicht mehr zu rechtfertigen.
Bautzen – isoliert im europäischen Vergleich
Während in Bautzen der Status quo verteidigt wird, hat sich in vielen Teilen Europas längst ein ganz anderer Umgang mit der Frage der Hundesteuer und der emotionalen Bedeutung von Haustieren etabliert. Die Entwicklungen zeigen deutlich: Deutschland – und insbesondere Kommunen wie Bautzen – geraten zunehmend ins Hintertreffen.
Frankreich schaffte die Hundesteuer bereits im Jahr 1971 vollständig ab. Belgien hat die Steuer in den meisten Gemeinden in den 2000er Jahren gestrichen. In den Niederlanden haben mittlerweile über 80 Prozent der Städte die Abgabe abgeschafft. Auch in Dänemark (abgeschafft 1972), Schweden (abgeschafft 1995), England (abgeschafft 1990), Kroatien, Griechenland, Italien und Spanien gibt es keine klassische Hundesteuer mehr. Die Schweiz diskutiert offen über die Vereinbarkeit der Steuer mit einem modernen Tierschutzverständnis – in einigen Kantonen wurden bereits erste Reformen eingeleitet.
Allen diesen Ländern ist gemeinsam: Sie haben erkannt, dass die Haltung eines Haustieres kein Luxus ist, sondern Teil des sozialen Lebens. Dass Hunde emotionale, soziale und therapeutische Funktionen erfüllen. Und dass es nicht Aufgabe des Staates ist, dieses Verhältnis durch pauschale Steuermechanismen zu sanktionieren.
Bautzen hingegen hält an einer Steuer fest, die 1807 zur Finanzierung der napoleonischen Kriege eingeführt wurde. Eine Steuer, die längst ihre gesellschaftliche Grundlage verloren hat. Und eine Verwaltung, die sich weigert, ihre Haltung der europäischen Entwicklung auch nur anzunähern.
Der europäische Vergleich ist kein Argumentations-Trick. Er ist ein Spiegel. Und wer hineinsieht, erkennt: Während andere Länder ihre Tierpolitik humanisieren, pocht Bautzen auf Verwaltungstradition. Es ist ein Zeichen der Rückständigkeit – nicht der Rechtsstaatlichkeit. Und es ist ein Appell an jene, die in Bautzen Verantwortung tragen, den Anschluss nicht endgültig zu verlieren.
Der Bund der Steuerzahler und die zivilgesellschaftliche Kritik
Neben Bürgern wie David Vandeven melden sich auch etablierte Organisationen zu Wort, die sich seit Jahren kritisch mit der Hundesteuer auseinandersetzen. Der Bund der Steuerzahler etwa fordert die Abschaffung der Abgabe – nicht nur wegen ihrer sozialen Ungerechtigkeit, sondern auch wegen ihrer finanziellen Ineffizienz. In mehreren Veröffentlichungen wird die Hundesteuer als „überholte Bagatellsteuer“ bezeichnet, die mehr Verwaltungsaufwand verursacht als sie Nutzen bringt.
Auch aus dem Tierschutz kommen vermehrt kritische Stimmen. Zahlreiche Tierschutzvereine weisen darauf hin, dass die Steuer häufig Menschen davon abhält, einem Tier aus dem Tierheim ein neues Zuhause zu geben. Die Folge: Volle Tierheime, längere Verweildauern, gestiegene Kosten – und Tiere, die aus finanziellen Gründen keine zweite Chance bekommen. Die Ironie dabei: Dieselbe öffentliche Hand, die diese Tierheime finanziell nicht ausreichend unterstützt, verlangt vom Bürger Abgaben für deren Folgeprobleme.
Zivilgesellschaftliche Gruppen, Online-Petitionen, kommunale Initiativen – der Widerstand gegen die Hundesteuer wächst. Dabei geht es nicht allein ums Geld, sondern um das Verhältnis von Staat und Bürger, von Mensch und Tier, von Verwaltung und Wirklichkeit.
In Bautzen jedoch wird diese gesellschaftliche Dynamik bislang ignoriert. Weder wurden Dialogformate initiiert, noch ist die Verwaltung erkennbar bemüht, mit den Kritikern ins Gespräch zu kommen. Das Ergebnis ist nicht nur eine rechtspolitische Stagnation, sondern eine Entfremdung zwischen Entscheidungsträgern und Betroffenen. Wer berechtigte Forderungen als Randerscheinung abtut, verkennt das Fundament demokratischer Gesellschaften: dass sich Wandel oft leise anmeldet – und dennoch gerecht ist.
Das Beispiel Berlin – sozialpolitische Verantwortung statt Blockadehaltung
Ein besonders bemerkenswertes Beispiel liefert die Bundeshauptstadt Berlin. Dort wurde politisch entschieden, dass Menschen mit geringem Einkommen, Rentner und Sozialhilfeempfänger vollständig von der Hundesteuer befreit werden können – unter klar geregelten Voraussetzungen, transparent und unbürokratisch. Dieser Schritt ist nicht nur ein Zeichen sozialer Gerechtigkeit, sondern auch ein Ausdruck politischer Sensibilität gegenüber den Lebensrealitäten vieler Menschen, für die ein Hund mehr ist als ein Haustier: nämlich ein Gefährte, ein Lebenspartner, ein Teil des sozialen Gleichgewichts.
Was in Berlin möglich ist, sollte auch in Sachsen – und konkret in Bautzen – möglich sein. Die entsprechenden Regelungen ließen sich problemlos in die städtische Hundesteuersatzung integrieren. Doch in Bautzen wird auf bestehende Paragrafen verwiesen, auf eine Verwaltungspraxis, die faktisch kaum Anwendung findet, und auf „fehlenden Anlass“ für Veränderung. Dabei ist der Anlass längst da – er steht im Stadtrat, er argumentiert öffentlich, er spricht für viele.
Es ist ein bewusster Akt politischer Entscheidung, ob man sich der Verantwortung stellt oder sich hinter der Abwesenheit gesetzlicher Verpflichtung versteckt. Berlin hat sich für Verantwortung entschieden. Bautzen verweigert sie bisher.
Das Beispiel Berlin steht für eine Politik, die auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert – nicht defensiv, sondern vorausschauend. Es zeigt, dass kommunale Satzungen gestaltbar sind, dass Empathie nicht mit Rechtsbruch gleichzusetzen ist und dass eine sozial gerechte Hundesteuer kein Widerspruch in sich sein muss.
Für Bautzen stellt sich daher nicht die Frage, ob man etwas darf – sondern ob man es will. Und ob man bereit ist, von anderen Städten zu lernen, statt sich hinter alten Mustern zu verschanzen. Wer Berlin als Modell ignoriert, bekennt damit: Wir wollen es nicht anders. Doch genau das muss in einer Stadt mit demokratischem Anspruch zur Diskussion stehen.
Fazit: Die Verwaltung hat ihre Sprache gefunden – kalt, formelhaft, verschlossen
Am Ende bleibt der Eindruck einer Verwaltung, die sich hinter Gesetzesauslegungen, Formalismen und internen Zuständigkeiten verschanzt hat – und dabei den Kontakt zur Lebenswirklichkeit der Menschen verloren hat, für die sie eigentlich arbeiten sollte.
Statt die vorgetragenen Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern ernsthaft zu prüfen, verweist man auf fehlende Nachfrage. Statt gesellschaftliche Entwicklungen anzuerkennen, wartet man lieber auf landespolitische Gesetzesnovellen. Statt aus den Beispielen anderer Städte zu lernen, versteckt man sich hinter der Behauptung, dass alles rechtlich korrekt sei. Das mag formal stimmen – aber es ist ein Offenbarungseid an politischer Gestaltungskraft.
Der Bürgermeister macht Dienst nach Vorschrift. Kein echtes Argument. Keine Öffnung. Kein menschlicher Ton. Die Botschaft lautet: Wir machen es wie immer – und wenn Sie das stört, halten Sie sich bitte zurück.
Doch genau das ist es, was in einer offenen Gesellschaft nicht mehr akzeptiert wird. Die Bürger wollen gehört werden, sie wollen ernst genommen werden – und sie haben ein Recht darauf, dass ihre Anliegen nicht als lästig, sondern als legitimer Bestandteil demokratischer Meinungsbildung behandelt werden.
Bautzen kann diesen Weg gehen. Der Stadtrat kann ihn ebnen. Die Verwaltung könnte ihn mittragen – wenn sie will. Noch hat sie sich dagegen entschieden. Doch die Diskussion ist nicht beendet. Sie hat gerade erst begonnen.
Und sie wird weitergehen. Solange, bis Gerechtigkeit nicht mehr nur verwaltet, sondern gelebt wird.